Zwischen Marsch, Geest und Covid-19

Heute mal was Nettes.

Was Positives. Für viele unter uns sicherlich was Berührendes. So hoffe ich jedenfalls.

Der Gaballier und die Ina Müller

Wir bauen ja gerade um - mal wieder. Ein neuer Laden muss er- und eingerichtet werden. Corona hin oder her und leider alles geschlossen. Aber irgendwann geht Lebbe weidda!

Da Frau und ich nicht wirklich den gleichen Musikgeschmack haben, habe ich mich „natürlich“ breitschlagen lassen, etwas enspanntere Mucke als meine „Headbanging-Suppe“ aufzulegen. Viele Deutsche Künstler wie oben genannte und auch Herbie war dabei. Bochum, die Steiermark, Niedersachsen und auch Barcelona wie New York wurden besungen.

Zwischen Marsch und Geest

Schleswig-Holstein – meerumschlungen. Kennen wohl die Meisten. Auf den Autobahnen das Schild zum Eintritt in mein Bundesland: Land der Horizonte. Etwas später wurde das gedreht in: „Der echte Norden“ oder auch: „Wir können alles – außer Hochdeutsch!“

Gegen diese beiden letzten Claims gab es dann – schon fast naturgemäß in unserem heutigen Zeitalter – etliche Klagen und Verhandlungen. So ist der Mensch halt?! Mit oder ohne oder gegen Corona – immer für einen Streit oder Krieg bereit. Mir persönlich wumpe. Ich bin dort geboren und relativ behütet aufgewachsen. Mein Land, meine Menschen, meine Heimat. Damit meine Claims. Alle an der Zahl. Punkt!

Kurz zur Orientierung, bevor die Geschichten anfangen:

•        Eider-Sperrwerk: Ich durfte dort als Budje in der zweiten Ausbaustufe Steine und Teer schleppen – also helfen.

•        Nord-Ostseekanal: ein Monument der Flussführung. In Brunsbüttel durfte ich damals (72/74) noch Spaten-Stechen, um bei der nächsten Schleusen-Stufe dabei zu sein.

•        Die Eider – der damalig noch längste Fluss in S-H, wurde durch den Nord-Ostsee-Kanal stark verkürzt. Wir Jungs konnten damals aber noch die vorhandene Fläche mit einem selbst gebauten Floss befahren.

•        Büsum: wir Jungs waren dabei, als der künstliche Sandstrand an der Nordsee (was für eine blöde Idee) errichtet wurde.

•        Wir Jungs waren dabei, als in Husum der gesamte Hafen auf Hochsee-Fischfang (was für eine noch blödere Idee) umgerüstet wurde.

•        Wir Jungs waren anwesend, als das Dithmarscher Museum zur Bauernkultur in Meldorf zum zweiten Mal eröffnete. Den wir sind und waren Dithmarscher Jungs. Geboren und aufgewachsen zwischen Marsch und Geest – zwischen Dung und Pferdeappel un Pannekocken mit Appelmus.

Erinnerung:

Könnt Ihr Euch noch diese schier endlosen Sommer 1972  erinnern. Wo Wasser-Sparen angesagt war. Wo Fahrverbote ausgesprochen wurden. Wo Kunz&Hinz eben nicht mehr das Auto in der Auffahrt waschen durften. Wo auch der Rasen und/oder die Hecke nicht mehr gesprengt werden durften. War ja rückblickend alles richtig – aber es war damals meine einzige Einnahmequelle in Sachen Nachbarschafts-Business. Und auch diese ersten finanziellen Ruin habe ich damals überlebt :-)

1975 und ´78 darauf dann die „sogenannten“ Schnee-Katastrophen. Wir Jungs (und auch Mädchen) sind über die Schneewehen geklettert um Eier und Milch vom Bauern zu holen. Da es einige Nachbarn gab, die eben nicht mehr laufen konnten, haben wir Mädels und Jungs natürlich mehr geholt. Links und rechts je eine 150cm Stahlkanne für 5l frische Kuhmilch (pasteurisiert … was´n das?) und im Survival-Rucksack noch die Eier. In Zeitungspapier eingerollt. Als wenn das heute (bei DHL) was genutzt hätte. Aber wir waren tuff und stark. Nordish by nature!

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Ernsthafte Frage: wie haben wir das damals alles hinbekommen? Internet/Smartphones/Websites oder gar Online-Shops gab es ja nicht? Händler und Kunden, die am Rad drehten? Ich kann mich daran nicht erinnern? Und ich würde mich erinnern, da meine Mutter die Ur- (Punkt 0) Kauffrau war!

Der Acker

Bauer Martens war schon immer der Hot-Spot in der Gemeinde. Da gab es alles, was es zum Überleben brauchte. Neben dem Bäcker Spör und dem Schuhladen Meyn, die auch noch Eier neben den Schuhen verhökerten und dazu noch Brennholz aus dem eigenen Wald hatten. Und Bauer Martens hatte natürlich auch einiges an Gerät. Unsere damalige 1000 Seelen-Gemeinde brauchte einen neuen Sportplatz, da der ABC-Wesseln in die Analen der Sportgeschichte eingehen wollte.

Platz gefunden. Kurzer Aufruf durch die Schulen und am Platz des Bürgermeisters, bei dem man ganz bequem auf dem Weg zur Schule noch die eine oder andere Ahoi-Brause oder gar ein Negerkuss-Brötchen ergattern konnte.

Und alle waren da. Es dauerte 2 Tage, da war der neue Sportplatz fertig. 2 Wochen später standen die Lichtmasten (ohne LED – klar, oder?) und alles war smooth. Das Dorf machte ein riesiges Fest, weil alle zusammen Steine aus einem Acker geklaubt haben. War einfach eine schöne – wenn auch einfache Zeit!

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Ernsthafte Frage: wie haben wir das damals alles hinbekommen? Ohne Regierungs- oder Landesansagen? Handys gab es nicht und somit ging es um die gute und alte: „Stille Post“. Ja – wir hatten noch Kontakt und kannten uns! Liferando --- machten die Kinder!

Der Bulle Kai

Bauer Martens war ein echter Bauer. Einer, wie er im Buche steht. Konnte Pferde am Gebiss taxieren und saufen, bis kein anderer mehr stehen konnte. Ein Hüne von Mensch. Ein Frohnatur, wenn es nicht gerade um Geschäft oder Alkohol ging.

Martens hatte ein Gestüt und eine Kuh- Schweine- wie auch Bullenzucht. Sein Bulle Kai war allerdings jenseits von Gut und Böse. Wild und tödlich. Hatte in meiner Zeit mehrere Rehe und Junghirsche über den Jordan geschickt, weil diese seine Weide überquert hatten. Bulle Kai war halt völlig irre – deswegen allein auf einer riesigen Weide.

Die Kinder machten sich natürlich einen Spaß draus, Bulle Kai zu reizen. 2-3m auf seine Weide. Rufen und wild gestikulieren und dann schnell wieder über den Zaun. Bulle Kai rannte in den Zaun und bekam den „damals“ verdienten Stromschlag.

Soweit so gut. Kinder halt. Damalige Kumpels von mit hatten auch Frösche mittels eines Strohhalms aufgepustet und – bei lebendigem Leib - zum Platzen gebracht. Haben sich im Lachen ausgeschüttet. Ich habe diese Penner voller Wut verdroschen und wurde damals von der Schule für Wochen suspendiert. Shit happens!

Bulle Kai jedenfalls war für mich magisch wie auch magnetisch. Warum bist Du so? Wenn niemand dich reizt, bist Du in deinem Frieden. Grast vor dich hin und genießt die nordische Sonne. Ich habe mit Freunden ein Baumhaus an seiner Weide gebaut. Die Jungs wussten nicht um mein Ziel – aber ich wollte es wissen. Sorry Jungs!

Wochenlang habe ich – während meiner Schularbeiten, diesen Bullen beobachtet. Völlig ruhig. In seinem Revier. Entspannt. Dann ging ich irgendwann auf seine Weide. Er sah mich und preschte los. Ich war urplötzlich von meiner Idee nicht mehr so überzeugt. Sprang über den Zaun und schrie ihn aus Leibeskräften an. Ich wusste aus nun schon langer Erfahrung, das Kai in seinem Brass geradewegs in den Stromzaun laufen würde.

Bulle Kai blieb aber stehen. Er blieb einfach stehen und sah mich an. Es dauerte in meiner kindlichen Erinnerung sicherlich Stunden, bis ich mich bewegte. Irgendwann überwand ich den Zaun und näherte mich Kai ganz langsam und redete ununterbrochen. Mir viel nichts ein, da mein Herz bis zum Stirnlappen pochte. Ich laberte das Vater-Unser runter, welches ich in diesem völlig unnützen Konfirmations-Unterricht auswendig lernen musste. Bulle Kai bleib ruhig und ich konnte ihn sogar fast anfassen. Alles war smooth. Ein bis heute goldener Augenblick zwischen Marsch und Geest.

Leider störte Bauer Martens diesen Augenblick lautstark – Bulle Kai scheute und der Bauer war dann mit der Peitsche hinter mir her. Grandiose Kindheit und ein weiterer Baustein meiner heutigen Psyche.

Was ich damit sagen will

Wäre wirklich schön, wenn ich das in Worten auf den Punkt treffen könnte. Letztendlich geht es evtl. um Hoffnung. Um Wagen und Verzeihen. Um Mut und Verzweiflung. Und letztendlich um „Aufgeben widerspricht der Aufgabe“!

Das waren einige wenige Geschichten aus meinem Heimatland – meiner Heimat! Was hat Euch in Eurem Bundesland so geprägt, das ihr sagt: "Meine Heimat hat mein Leben und damit mich stark gemacht!"  #fuckcorona

Bin gespannt und verbleibe mit Hoffnung, Demut und Respekt für alle diejenigen, die heute mal wieder an der Front stehen! Danke  

Euer  DAU