Wer eine Reise tut …

Wer eine Reise tut …

06:45h aufgeschlagen am Hauptbahnhof Köln.

Trotz der Uhrzeit schon reges Treiben. Da ich mich hier mittlerweile auskenne, geht mein Weg direkt zu einem Türken, dessen Familie hier einen großen, saubereren, freundlichen und familiären Betrieb führt. Alle genannten Adjektive mit einem dicken SEHR davor!

€3,40 für einen Cafe´ Crema und einen frischen Bagel mit Creme, Pfeffer und Schnittlauch. Alles koscher. Zwei Stände weiter kostet das Bundle mal eben 3 Euronen mehr. Oder im „backfrisch“ das Gleiche. Nur ohne Begrüßung und ohne Lächeln … warum begreift es die mainbase in diesem business nicht?

---------

Im Zug meinen Platz ergattert. War nicht voll. Nett besucht würde passen.

Hinter mir eine Gruppe junger Frauen. Vier an der Zahl. Bekleidet wie zum nächsten Gothic-Event und gegen 8h gingen die ersten Feiglinge (für die Ungeübten - Wodka mit süßer Brühe) über den Tisch. Ich versuchte zu arbeiten. Ging aber nicht  😊

Kurz darauf war ich Teil dieser Gothic-Connection. Es interessierte mich halt. Die … nennen wir es Anführerin … war Ihres Zeichens Sozialarbeiterin. Fährt mit Ihren drei Schützlingen (alle körperlich behindert) mal eben 800km durch die Republik, um in Dresden in irgendeiner Schule bei einer 100, 120, 200 … wtf … Jahrfeier präsent zu sein. RESPEKT. Die Verantwortung würde ich ablehnen. Mit oder ohne Alkohol. Das Gespräch ergab wenig später, dass ich für den Job, bei dem Gehalt, noch nicht einmal aufstehen würde.

Die Leiterin prostete mir keck zu: „Kann man sich schön saufen – Spaß macht es in jedem Fall, weil es Menschen sind!“

-----

Mir gegenüber sitzt während der sechs Stunden Fahrt ein junger Mann. Tickert durchgehend stur in sein Laptop. Zwei Handys am Platz. Ab und an nimmt er das eine oder andere an. Mal Sächsisch, mal englisch und auch manchmal richtig hochdeutsch. Fast immer verzieht er nach dem Gespräch das Gesicht. Und tickert dann stoisch weiter.

Kurz vor Hannover muss ich eine rauchen. Der Zug ist aber direkt. No way. Ich versuche mich kurz im Klo. Ist aber alles andere als ein Genuss. Ich komme zurück an den Platz, ignoriere die Gothic-Damen, die nun schon reichlich angeschickert sind und setzte mich. Der Typ mir gegenüber lächelt mich an: „Gleich sind 20min Aufenthalt in Hannover – wolle rauche?“ Ich hab mich fast weggeschmissen  😊

Klar war der Junge ITler.

War mir völlig klar. Ich habe ihm mein Beileid bekundet, weil sich ja jeden Tag irgendwas ändert. Weil man ja nie auslernt …. Er sagte nur trocken, bei der zweiten auf heiß gerauchten Zippe: „Egal – learning by doing. Man sich hier schon völlig doof anstellen, um keinen gut bezahlten Job zu bekommen – und auf Sicht zu behalten!“

-------

Mir gegenüber nehmen, in Hannover, zwei junge Menschen Platz. Also jung von meinem Standpunkt aus. So etwa 35 Jahre +/- zwei Jahre. Beide scheinen sich zu kennen. Er seibelt allerdings ohne Unterlass über Familie, den Stress mit dem neugeborenen Kind, den Staat, den Abfuck der Kita und seiner Frau, die nichts von seinem Sport hält. Er ist 4x die Woche im Dojo --- hat schon einen schwarzen Gurt und Sie macht immer Stress, weil sie das Maul nicht halten kann. Und dann noch die Bank, und die Alimente für die Frau vorher …. Usw., usw, …..

Sie, groß gewachsen, hübsch … versucht diverse Male, das Gespräch auch das Business zu lenken, zu dem beide recht sicher unterwegs sind. Ihre Augen haben, innerhalb von einer Stunde unablässigen Gemeckers des Kerls, schon Löcher in die Decke des Waggons gebrannt. Ich hab dann zwei Pils bestellt und ihr zugeprostet. Das wars auch schon. Das Lächeln war nicht von dieser Welt!

------

Ebenfalls in Hannover ...

steig ein echter Business-Kerl ein. Hatte den Sitz neben mir. So knapp unter 40. Gehobene Business-Garderobe. Allein die Schuhe kosten mehr, als das Monatsgehalt eines DPD-Zustellers. Hat sein Laptop ausgepackt und Charts ohne Ende hin- und her verschoben. Institut für Marktwirtschaft konnte ich im Augenwinkel erhaschen. Mehrfach sehr laut und wichtig in Deutsch und Englisch telefoniert und zeitgleich sein Laptop bedient. RESPEKT!

Irgendwann kamen wir durch Köthen. Kein Mensch weiß, warum in diesem armseligen Dorf ein IC anhält. Ich war hier mehrfach mit dem Auto, mit dem Wohnmobil und dem Hund auf Durchreise nach Goslar. In dieser Gemeinde gibt es nichts, was – zumindest im innerstädtischen Bereich – zum Bleiben oder gar Verweilen verleitet. Nur ein !MUSS! kann das bewirken.

Das gab ich kund. Business-Man kam sofort lautstark aus der Deckung. Der ITler hielt verschmitzt lächelnd die Klappe. Die Gothic-Damen hinter mir warfen nun schon mit Feiglingen. Business-Man skandierte trocken: "ist doch viel Leerstand hier. Kann man richtig Industrie ansiedeln. Ist doch ein Schnapper!“

Die Gothic-Leiterin hinter mir kommt prompt mit ner Stiege Feigling zwischen den Sitzen durch: „Na dann viel Glück. Versuch mal hier Handwerk zu finden, die diese marode Scheisse wieder aufbaut … und Werkstoff dafür hat. Und dann noch Personal. 20km weiter hat Amazon sein Lager …. Alles, was nur halbwegs stehen und denken kann, wird von denen weggefischt!“

Ich hab´s nur gedacht --- besser hätte ich es never rüberbringen können! Business-Man war stille.

Mittlerweile hatte die hübsche junge Dame dem Kindergarten-Cop schon lautstark die Leviten gelesen. Es ginge ums business! Zwei Feiglinge hatte Sie in Ihrer Ansprache gern genommen. Helicopter-Papa hat das Sprechen dann auch eingestellt.

------

Leipzig Hauptbahnhof.

Ich bin total unterhopft. Sechs Stunden im Zug. Dehydriert ist schlimm. Unterzuckert nicht minder. Aber unterhopft geht gar nicht!

#MeinerEiner also auf dem Weg zum Kiosk. Ne Zippe und ne Hülse – mehr braucht es nicht. Unterwegs zum Kiosk haut mich Rene an. Ein Penner vom obersten Board. „Rammstein“ auf meiner Tasche. „Rammstein“ auf meinem Hoodie --- und er findet Rammstein einfach nur geil.

Ich nehme sein Leergut --- komme ne Minute später wieder aus dem Kiosk und wir rauchen und kippen das Pils zusammen. Rene war/ist auch ITler. Binnen Sekunden erklärt er mir, auf miese Nachfrage meinerseits, den Sinn und Zweck von SQL-Datenbanken und warum das kein Hexenwerk wäre. RESPEKT!

Rene hat aber einfach keinen Bock mehr. Ist ausgebrannt und hoffnungslos. Böse Scheidung. Ein totes Kind --- wtf ever.  Das kann ein Gespräch mit mir nicht ändern. Ich denke aber an den jungen Mann, der mir im Zug gegenüber saß: “So doof kann man sich gar nicht anstellen …. „

----

Mal unter uns:

„in a blink of an eye --- in einem kurzen Augenblick, kann sich dein gesamtes Leben ändern. Ob Du willst oder nicht. Boom hat es gemacht …. Immer daran denken!"

Rene ging dann weiter. Zwei leere Tüten, die ich aus dem Kiosk wieder mitgebracht hatte, schlackerten an seinen dünnen Armen. Ich hatte ihm zwei Fünfer in die Hand gedrückt. Er traf einen offensichtlichen „Freund“ und gab ihm einen davon. RESPEKT!

LEBEN --- ist nur ein Zyklus von Schicksal und Entscheidungen.

Dirk Carolus