Schlagworte zur Tour #1

Heute ergab es sich, dass auf ein buzzword (neudeutsch für Schlagwort) eines Freundes sofort wieder eine Filmschleife in meinem Kopf ablief. Zur Erklärung der folgenden Zeilen: ich bin leidenschaftlicher Motorrad-Fahrer. Und mit Leidenschaft meine ich beim Moped-Fahren die Fraktion der Knieschleifer.

Erfahrung:

Sicher hing mein Leben schon in den 80´ern am seidenen Faden, da ich mich diesem Hobby schon in frühen Jahren verschrieben hatte und unsanft abgestiegen wurde. Das es damals nur 1 heftiger Unfall mit reichlich Spätfolgen war, ist an sich schon ein Wunder. Was ich heute an Erfahrung und Routine auf die Straße bringe, war damals eine gefährliche Melange aus jugendlichem Heißsporn und Unverfrorenheit gepaart mit Risikobereitschaft. Trotz allen fahrerischen Könnens ...

Heute, mit nun annähernd 60 Jahren, hat sich mein Fahrstil sicherlich verändert. Das Wort Reife dabei zu benutzen, wäre ein glatte Lüge. Allerdings ist es im Großen und Ganzen etwas ruhiger geworden und das Abspulen einer wie auch immer gearteten Wegstrecke ist im Wesentlichen durch nun knapp 40 Jahre auf dem Hocker zur Routine geworden. Wenn da nicht immer noch dieser Kick wäre …

Nur für Liebende:

Es gibt drei Dinge, die es als „zügig“ fahrender Motorrad-Enthusiast zu beherzigen gilt:

1.) Respekt vor der Maschine zwischen deinen Beinen.

2.) Immer – ausnahmslos immer – mit der Dummheit anderer rechnen.

3.) Die erste Tour im Frühjahr ist die gefährlichste von allen gefährlichen Fahrten.

So wie jedes Jahr bin ich auch in 2021 mit Anbruch von Temperaturen über 6° Grad und trockenem Asphalt auf meinen Hocker gestiegen. Allein das Zelebrieren der ersten Fahrt ist immer wieder wie die Vorbereitung auf ein Pokalfinale im Fußball. Damals allein in der Kabine beim Schnüren der Fußball-Schuhe. Focus auf das, was vor einem liegt und volle Konzentration auf das Spiel. Heute ist es das fokussierte Ankleiden der Schutzausrüstung, das Überprüfen von Luft, Öl und Bremsen. Damals war es ein Glückspfennig im Stutzen unter dem Tape. Heute ist es ein Glückspfennig im Handschuh.

Das erste Erwachen des Motors ist immer eine Offenbarung. Den Zündschlüssel kurz gedreht. Die Selbsteinspritzung nimmt hörbar ihre Arbeit auf und ein leises, dennoch unüberhörbares Klack sagt an: Ready! Ein Druck auf den Anlasser … pött, tumber, tumber, pött … und sonores Brabbeln aus der Racing-Auspuffanlage wirft dir die erste Hühnerpelle des frühen Tages über den Rücken.

Damals wie heute führt mich mein erster Weg immer auf einen verlassenen Parkplatz. Möbelhäuser bieten sich an oder große Supermärkte. Es ist wie bei allem im Leben: länger nicht gemacht, verliert sich die Praxis. Auf dem Moped müssen es immer 100% sein. 99% und „das groovt sich schon ein“ reichen nicht in einer Extremsituation. Gerade am ersten Tag nicht. Da fehlt das berühmte EINE Prozent! Also auch heute Vollbremsungen, links/rechts Situationen, kleine Kehren, Stoppies und Wedeln vollführt. Nicht nur für das Gefühl. Die Reifen, das was uns Mopedfahrer mit der Straße verbindet, sind danach auch sehr gut aufgewärmt  😊

Leben am Limit

Bevor die Zeigefinger-Fraktion sich nun rüde erhebt. Ja – Punkt. Man tut es nicht – Punkt. Selber schuld – Punkt. Es gibt Gesetze – Punkt.

Es ist wie mit gänzlich allem, was Spaß macht. Entweder es macht dick, schwanger oder es ist verboten. Meist kommt ja alles zusammen. Es ist nicht ratsam, sich auf eine Maschine mit annähernd 300km/h Endgeschwindigkeit zu setzen. Es sollte tunlichst vermieden werden, die 200km/h Grenze in unter 7sec. zu absolvieren. 100km/h auf Landstraßen sind das erlaubte Maximum der Höchstgeschwindigkeit und das Knee-Pad auf dem Asphalt zu spüren ist höchst unmoralisch. Aber sorry – es ist geil. Alles, was sich auf so einer Tour im Köper boxt, endet auf ….phine! Das Adrenalin quillt dir aus dem Helm und das Dauergrinsen sorgt dafür, dass Du dir in einem Moment der Ruhe auf die Wangen beißt, weil der Druck des Helms diese unter deine Kauleiste geschoben hat.

Und da ist sie endlich. Diese langgezogene Linkskurve mit völlig freier Sicht. 4. Gang – knapp 190 auf der Uhr. Die Karre tänzelt ein wenig. Nicht genug Druck auf dem inneren Lenkerende. Etwas mehr Druck links, Knie raus. Arsch etwas nach links unten verschieben. Am Ende der Kurve hast du gute 900m Gerade vor dir. Eine 90° Grad Rechtskurve kommt danach. Leicht nach außen überhöht. Ergo kannst Du mehr Speed bringen, da die Fliehkraft geschwächt wird. Die Sicht in die Rechtskurve durch Bewaldung eingeschränkt. Beim raus aus der Linkskurve den Hahn auf. Volle Kanne die 900m. Hartes Runterschalten in den Zweiten (ohne Kupplung). Bremswirkung des Motors mitnehmen und Ideallinie von Mitte der Bahn in die erhöhte Rechtskurve nach innen eintauchen. Danach kommen wieder gut 600m Gerade und danach eine lange Linkskurve. Also mittig in der Kurve schon Vollgas, da diese Kurve ja überhöht und die Drehzahl durch das Schalten ohne Kupplung konstant ist ...


Ist nur blöd, wenn sich an einem Sonntagmorgen um 8:00 Uhr drei Teletubbies im Telekom-Magenta Dress auf Rennrädern im 3er Gespann nebeneinander den Berg hochquälen. Die Gruppe mit 10km/h sperrt die gesamte Fahrbahn und ich komme mit gut 120 Klamotten innen aus der Kurve. Abstand in Sichtweite 20m. Kick nach links und überlebt. Die 3er-Bande wie auch #MeinerEiner! Was wäre aber, wenn von vorn noch jemand gekommen wäre ... ? Aus die Maus und Ende im Hängeregister!

Tenor:

Lasst es langsam angehen! So geil, wie das ist ---- und ich hoffe genau das in Worten rübergebracht zu haben --- so gefährlich ist es!

Bereitet Euch vor. Prüft Euer Können und denkt immer zumindest eine Kurve voraus. Mehr kann ich nicht verlangen, weil auch ich immer noch einen Adrenalin-Junkie bin.

#drivesafe #drivecarefully #havefun #stayalive