Du wachst auf. Sehen kannst Du nur weiße Schwaden. Irgendetwas bedeckt dein Gesicht. Du willst die Hände heben, um dieses Etwas von deinen Augen zu nehmen. Deine Arme, deine Hände lassen sich nicht bewegen. Sind durch irgendwas blockiert. Du kannst den Kopf nicht drehen, um den Grund dafür zu sehen.
Wache Sekunden, in denen Du versuchst, dieses Szenario irgendwie in ein verständliches Bild zu packen. Eine Decke in einem Raum kannst du erkennen. Tageslicht kommt von irgendwoher. Flucht wäre ein Ausweg. Aufstehen demnach die Lösung. Dein Körper reagiert aber nicht. Beine? Wo sind meine Beine. Wo bin ich eigentlich --- was zur Hölle geht hier ab? Und gnädigerweis schläfst Du wieder ein.
Was war passiert
Mit dem Motorrad unterwegs. Meine Hausstrecke. 100km Landstraße von Hamburg nach Heide/Holstein durch die tiefsten Tiefebenen der Dithmarscher Pampa. Du kennst jeden Hubbel - jede Untiefe. Jede Kurve, jeder Bordstein, jede Hecke und jede Ausfahrt eines Bauern und dessen Treckers ist in deiner DNA über die Jahre zutiefst verwurzelt. Was also soll passieren? Morgens um 01:30h CET.
Die Straße - deine Straße - gehört allein dir. 100PS unter dem Arsch. Ein „Bislang-Leben-im-Überfluss!“. Geistig und vor allem körperlich am absoluten Limit. Nichts kommt an mich ran - nach mir kommt lange nichts mehr. Ich bin Bulle - ich bin in einer Spezialeinheit. Ich bin 100% austrainiert und muss auch nicht mehr diese verfickte Uniform tragen. Ich habe die Tiraden meiner Mutter überlebt und die Zukunft gehört einzig und allein nur mir. Also auf den Hahn. Was soll schon passieren …..
Und dann stand Uwe mitten auf der Straße.
In einem 300 Seelen-Kaff zwischen Busenwurth und Trennewurth. Es gab dort noch zwei Kneipen, was heute „LOL“ unvorstellbar ist. Und Uwe sah sich gezwungen, die andere Kneipe zu besuchen, da er im Vollsuff aus der ersten rausgeworfen wurde.
Nun stand Uwe mit 3,56 ATÜ auf dem Kessel mitten in der Kurve, auf diesem weißen Streifen. Und winkte mir freudig zu. Eine 90° Kurve, die man(n) mit etwas Geschick (oder Erfahrung) recht simpel mit +180km/h nehmen kann. Ist leicht erhaben am Ausgang --- ergo fast eine Steilkurve. Kurz vor dem Scheitelpunkt der Kurve den Gang runter und Vollgas, da die Fliehkraft dir hier nichts anhaben kann. Wenn Uwe nicht gewesen wäre ….
Restfunken
Ich sah Uwe. Ich kickte die Karre noch nach links … und Dunkelheit.Dunkelheit in der Hinterwald-Pampa von Dithmarschen ist wirklich dunkel. Es gab noch keine Handys. Da war nichts mit „Nachbarn“, die mal eben um 1:30h um den Block gehen.
Ich erwischte den Uwe irgendwie mit meinem rechten Spiegel (sagte mir hernach einer von der VS --- Verkehrsstaffel) und damit war ich weg. Der Lenker haute ab und ich ging über die Maschine. Die die Maschine ging dann über mich, was ich aber nicht mehr mitbekam.
Irgendwann. Ich kann mich auf dem Rücken liegend an einen Himmel mit Licht erinnern. Es waren also schon einige Stunden im Hinterland von Dithmarschen vergangen. Da kniete ein Mensch neben mir. Er versuchte, mir meinen Helm abzunehmen. Ich bohrte ihn, vollkommen unbeweglich, mit Fragen: „Was ist mit der Verkleidung - mit dem Motor - mit dem Auspuff?“ Martin gestand mir, einige Wochen später, dass er mich „trocken“ angelogen hatte 😊
Martin nahm jede Frage von mir auf ---- wartete ein paar Sekunden und klopfte sich dann mit den Händen auf die Oberschenkel. Da ich mich nicht bewegen konnte, hatte es für mich den Anschein, dass er wirklich jedes Mal zu meinem Bike rennen würde, um meine Fragen beantworten zu können. „Alles in Ordnung - tolle Karre!“ sagte Martin immer wieder. Irgendwann war ich dann „endlich“ weg. Und die Karre war nur noch ein Trümmerhaufen!
Geht oder geht nicht!
Next chapter — to be continued!