Just Do It

Okay - die Kindheit war jäh vorbei.

Das Thema der Königin war abgehakt und das Elternhaus gab es nicht mehr. Nach dem Tode meines Vaters hatte meine Mutter binnen 2 Jahren eine bis dato durchaus solvente Firma in den Ruin getrieben. Geltungssucht, Narzissmus oder einfach nur Einsamkeit gepaart mit #leckmichrisiko?

Ich weiß es nicht. Ich maße mir da auch kein Urteil an. Dafür war die Psyche dieser Frau für mich bis heute zu unergründlich, auch wenn ich viel von ihr übernehmen durfte. Das Erbe musste ich jedenfalls ausschlagen - diese Schulden hätte ich bis heute nicht abzahlen können. R.I.P

Rückblick

Nach dem - zumindest für meine Begriffe - jämmerlichen Abgang in Sachen Fußballkarriere musste ich mir ein Ventil für meine Aggressionen suchen. Heavy Metal, Leder und 100% #dumichauch Einstellung allein reichten in der Phase nicht. Ich brauchte einen neuen Kick, um Energie und dunkle Gedanken abzuarbeiten.

In dieser Zeit (80´Jahre) waren Helden wie Bruce Lee, Chuck Norris, Rambo und nicht zuletzt natürlich Snake Plisken --- nennen Sie mich Snake --- meine Ablenkung vom gegenwärtigen Sein. Natürlich suchte ich den Weg in den Kampfsport. Meine erste Bastion war eine Kung-Fu-Schule in meiner Heimatstadt. In der ersten Schnupperstunde sollten wir „Schüler“ uns hinsetzen und haben uns 15min lang irgendwelche Götzen an der Wand ansehen und dem SingSang des Sensei lauschen dürfen. Ich konnte nicht so lange im Schneidersitz verharren. Zudem war mir langweilig und ich bewegte mich. Als Strafe sollte ich sofort 20 Liegestütz machen. Während alle anderen weiter dem SingSang andächtig lauschten.

Na gut - was solls. Ich war 100% austrainiert. 20 Liegestütz waren Kindergarten! Dann wurden wir aufgestellt. Immer zwei Kontrahenten gegenüber und der Sensei gab den Ton an: „die Kraft ist nicht in Dir. Die Kraft kommt aus dem Boden. Spüre die Kraft und lasse diese fließen. Jetzt!“  Dieses JETZT war der Startschuss zur Aktion. Und ich habe den Jungen vor mir einfach nur stumpf umgehauen. Mitten auf die Nase, während er noch irgendwie versuchte, die Kraft aus dem Boden zu saugen. Sorry  ☹

Gralssuche

Diese erste Schnupperstunde im Kung-Fu war auch meine letzte - der SENSEI war not amused über die Spuren des Nasenblutens auf der hauseigenen Matte in seinem Dojo. Wenige Tage später versuchte ich mich im Karate. Itch ni san shi … war aber nach wenigen Wochen auch nicht so meins. Zu gerade - zu strukturiert. Damit zu ausrechenbar - zumindest in meinem immer noch kindlichen Weltbild. Und Chuck hatte ja gegen Bruce verloren (the way of the dragon). Also was?

Es gab da noch so eine „dunkle“ Schule in meiner Heimatstadt. Dreckiges Strassendingens. Genannt Kickboxing im Katgamala-Style. Selbst diese SEITE ist heute noch nicht sicher  😊  Aber genau das war mein Ding. Der Leiter „Herr Geert Lemmens“ (nix mit Sensei oder Gott oder XYZ) war ein brachialer Typ, der einfach nur Disziplin und unbeugsamen Willen forderte. Nicht mehr - nicht weniger!

Hier war ich richtig! Einfach nur ein Junge, der Energie und Frust abbauen musste. Dem (mal wieder) Disziplin abverlangt und Aufgaben auferlegt wurden. Diese „dreckige“ kleine Schule war vernetzt in Sachen Material Arts und Wettkämpfe waren praktisch jedes Wochenende im Programm. Ich lernte schnell - ich lernte effektiv. Style ist nur eine Sache der Wirkung - das kannte ich von meiner Königin. Material Arts hingegen ist brutal auf Erfolg getrimmt. Ringen, Karate, Mu Thai, Kickboxing, Faustkampf allgemein mit Elementen aus dem Yoga, dem Aikido und teilweise auch einfach nur Straßenkampf wurden hier effektiv gemixt. Genau mein Ding  #gehtodergehtnicht!

Ich war grad einmal 4 Monate (fast jeden Tag!) dabei und wurde in die sogenannte Kampftruppe hochgelobt. Auch hier waren die Muster meiner Kindheit wieder erkennbar. Von damals 72 Schülern durften grad einmal 4 in diese Truppe. Ich war stolz - damit hatte ich wieder einen neuen Lebensabschnitt erklommen. Und auch dieser wird noch wichtig werden in meiner Ausbildungszeit zum Polizeibeamten der Hansestadt Hamburg. Davon später mehr.

Überheblichkeit

Ich durfte mitreisen zum European Championship All Style Karate nach Belgien. Bääähm! Das mit der Karriere im Fußball war ja durch. Alles Geschichte. Gone! Eine neue Ära begann für mich. Bislang Teamsportler und Mannschaftsnutte war ich nun allein für mich selbst verantwortlich. Meine Fehler - mein Verhängnis. Meine Stärke - mein Sieg. So einfach war meine Rechnung!

Irgendwo in Antwerpen fanden dieser Championships statt. In einem umgebauten Kino. Die Arena war auf der ehemaligen Leinwand aufgebaut. Die Sitzreihen gingen schräg nach oben. Ich hatte die Vorkämpfe sicher und ohne Blessur überstanden. Ich war der King. Unzerstörbar und Bruce, der alte Lee, war ein Furz gegen mich.

Die deutsche Delegation war im Rang links angesiedelt. Es gab zwei Gänge runter zum Court. Stille. Musik ertönt. Mein Name wird endlich wieder einmal aufgerufen. Nach Nationalmannschaft und höheren Ligen im Fußball wurde es auch wieder mal Zeit. ICH BIN DER BESTE! Es hätte mir im Nachhinein zu Denken geben müssen, das der Junge, der nun rechts die Treppe runter zum Court ziemlich easy sein gesamtes Bein an seine Schulter klappen konnte. Zum Warm-Up … auf dem Weg nach unten über die Treppe.

Aber was solls - ich bin unbeatable. Das Kid da drüben ist ca. 20kg leichter als ich. Den mach ich weg. Punkt! Es kommt immer anders. Wir begrüßten uns in der Mitte der Arena. Ich guckte wie immer - wie heute noch: "warum bist Du Looser mit mir in einem Ring"? Der Kampf dauerte genau 7sec. Ich habe den Jungen noch nicht einmal kommen sehen. Ich war sofort weg und das Riechsalz brachte mich zurück in die Wirklichkeit.

Fazit:

Ich habe seither niemanden mehr unterschätzt. Wir kochen alle nur mit Wasser und scheißen in die gleiche Schüssel. Aber es gibt immer Unterschiede. Genau dieser erneute Moment des Verlierens hat mir viel geholfen in meiner Ausbildung zum Polizeibeamten.

Das ist aber ein anderes Kapitel …. to be continued!