E-COM vs. Leergut

Heute durfte ich die 4.te E-Commerce Veranstaltung innerhalb von nur 6 Wochen besuchen. Sicherlich auch die letzte für zumindest dieses Jahr. Es geht jetzt nicht explizit um diese Veranstaltung, die Konferenzen, den oder jenen Workshop oder Hardtail-Funnel-Meetings. Dazu später ...

Es geht einmal mehr um die vielen Mannis da draußen.

09:00h morgens. Aufschlag im hektisch belebten Maritim Tagungshotel. Vor mir gaben sich schon VON und ZU an der Rezeption die schlechte Laune gegenseitig in die Hand. Die Lobby war brechend voll – laut und unangenehm. Und der wirklich bemühte Checkout-Concierge hatte einfach Mühe, in dem Stimmengewirr den Namen Krasoferawitzsch (Name geändert – ähnlich) auf Englisch buchstabiert im System zu finden um deren Rechnung auszudrucken. Die Welt brach für das sichtlich genervte First-Class Ehepaar vor mir zusammen. Deren wüste Druckparolen dem armen Angestellten gegenüber sorgten für einen zusätzlichen Stress im Betrieb drumherum. Ich habe mich erst einmal entfernt und mir einen Kaffee geholt.

Wenig später „mal wieder“ im E-Commerce Cyber-Space Platz genommen und umgeben von selbsternannten MACHERN. 2 – 50 – 14 – 80 – 800 – 62 Millionen. Bäng – puff – peng. Hier, da, so bähhhm – musste machen! Ich denke mir – as usual: UMSATZ? Cool – ganz großes Tennis … ?

Nach 9 Stunden mit Selfmade-Umsatz-Millionären, FBA Newcomern, welche noch nicht einmal fehlerfrei an die Wand pissen können, geschweige jemals selber einen von ihnen verkauften Artikel in der Hand hatten und altehrwürdigen Händlern, welche seit Jahren die „Handling-Kosten“ eines Artikels einfach nie berechnet haben … kam ich mal zum Luft holen. Das Foyer war brechend voll. Ganze Hundertschaften von Frauen und Männern in feinster Ausgehgarderobe, Abendkleid, Smoking und teilweise auch XL fittet in M. Aber alles hübsch. Der Verein Lohnsteuer E.V. lud ein zur großen Jahresgala. Da Vereine ja kein Plus in der Bilanz ….. ? OK - ganz anderes Thema!

Raus aus dem Hexenkessel und ab zum Hauptbahnhof. Ich brauchte Zigaretten und ein Pils an der frischen Luft. Mit den vielen Eindrücken und Erkenntnissen der vergangenen Stunden saß ich dann entspannt auf einer Parkbank im Grünen und sichtete das rege Treiben vor dem Hauptbahnhof. Kein Vertun. Ich denke, jeder Hauptbahnhof ist gleich. Für mich hatte es aber schon fast eine beruhigende Wirkung. Endlich wieder normale Menschen …

Nun endlich zu Manni

Es wurde langsam dunkel. Ich bin wieder im Foyer des Maritims und vor der Tür stehen die Raucher-Lounge des E.V. Steuererklärung. Heftiges Gekicher, Gegröle und Partylaune. Es ist irgendwie schon gruselig, was ein wenig Alkohol aus zuvor erzbiederen Buchhaltern und verwelkten Steuerfachgehilfinnen herausholen kann. Erinnert ein wenig an die Gremlins. Ich stellte mich mit einem Pils etwas abseits des Eingangs und nahm Platz auf einem Papierkorb, um meine Emails zu checken. Wenig später wurde ich von hinten angeraunzt: „Darf ich mal …?“ Manni suchte nach Leergut!

Wer mich etwas kennt, weiß, dass es einige Kreuzungen in meinem Leben gab, an denen auch ich leider die falsche Ausfahrt genommen habe. Wer mich noch nicht kennt, wird es über kurz oder lang in diesem Blog erfahren. Shit happens!

Manni und ich kamen, was auch sonst, ins Gespräch! Der erste Satz auf eine sicherlich denkbare Frage von #MeinerEiner sagt eigentlich schon alles: „Ich will überleben!“ Kurzentschlossen habe ich Manni in die feudale Bar des Maritims eingeladen. Inkl. seiner weißen Plastiktüte mit Leergut, die er sehr entschlossen an seine Brust drückte. Manni ist 56 Jahre alt. Ist nach der Schule zu Thyssen-Krupp gegangen (wie Vader halt!) und hat dort 34 Jahre malocht. Umstrukturierung auf Grund von Management-Fehlern und Manni war raus. Wegrationalisiert - einfach Ende! War dann noch kurz bei Opel in Rüsselsheim. Aber auch dort gingen dann teilweise die Lichter aus. Mit über 50 noch nen Job zu finden – nach 36 Jahren Maloche? Geschieden, 2 Kinder, keinen Kontakt zur Familie  …

War ein emotionales Gespräch. Hat mich bewegt. Sicherlich auch dadurch, dass ich diese Klientel (aus der Zeit bei der Polizei) kenne und mich selbst auch durchaus dazu zähle. Zumindest zu einem gewissen Teil. Shit happens halt!

Epilog:

Wir haben uns verabschiedet. Ich habe Manfred mit seiner Plastiktüte durch die nun sichtlich losgelösten Party-People in der Lobby gelotst und abgeschirmt. Zurück bleibt ein fader Geschmack, den ich nicht wirklich in Worte fassen kann, aber den jeder mit nur ein bisschen Empathie sicherlich nun auch schmecken kann.

Manfred will einfach nur überleben und drängt mich barsch von „seinem“ Papierkorb! Und ich freue mich nun schon auf WACKEN 2020 … and shout it out loud:

Endlich wieder normale Menschen!