Breakfast for champions
Weil es halt Weihnachten heißt … heute mal was (fast) Nettes
Wir schreiben das Jahr 1975. Helmut Schmidt war Kanzler (10 Jahre später dufte ich mein Idol bewachen!), Nicki Lauda wurde Weltmeister und in China starben 200.000 Menschen an einer Flutkatastrophe. Also alles im Lack – die Welt, wie wir sie heute nicht anders kennen.
Soccer is serious
Mir ging das Weltgeschehen damals völlig am Popo vorbei. Für mich zählte nur Fußball. In der Grundschule noch ob meiner Proportionen gehänselt (ich war echt ein fettes Kind), meldete mein Vater mich in unserem Fußball-Verein an.
Der ABC-Wesseln. Hochtrabender Claim für eine Dorfmannschaft: Athletik Ballspiel Club. Das Dorf in Dithmarschen hatte grad einmal 1.300 lebende Einwohner … aber den Claim finde ich heute noch cool 😊
Es dauerte nicht wirklich lange, bis ich auch dort Teamleder wurde. Auf Grund meiner Masse konnte ich mich praktisch in jedem „Kontaktsport“ durchsetzen. Ich war ganz sicher nie ein großer Techniker – aber ich hatte eine ultimative Lehre durch meinen Vater indoktriniert bekommen: „Wenn Du den Ball hast, kann der Gegner kein Tor machen“.
So simpel die Ansage, so einfach die Umsetzung. „Mein Ball“ war für mich Gesetz. Nach gut 6 Jahren im Jugend-Fußball wurden meine körperlichen und technischen Fähig- und Fertigkeiten um Längen besser.
Karl Valentin
Trainer kommen – Trainer gehen. Heute wie damals. Zum Kinderclub ABC-Wesseln kam damals ein ehrenamtlicher Trainer, der … nennen es wir mal … „anders“ war. Ich weiß bis heute nicht, was diesen Trainer Valentin geritten hat, mich (ausgerechnet mich) zur Sichtung U14/U15 National in Malente anzumelden. Rückblickend betrachtet war es sicherlich nicht mein Talent. Ich hatte zwar mit grad einmal 14 Jahren schon Angebote aus der Umgegend (Bezirks-/Landesliga – Gelächter). Aber er wollte wohl einfach ein Zeichen setzen. Ein Zeichen in den Niederungen der Geest von Dithmarschen – am Arsch der Heide.
Es kam, wie es kommen musste. Ich wurde angenommen und durfte mit einem Seesack nach Malente. Ein kleiner Junge, der nichts anderes als Fussi spielen will – in der Sportschule Malente.
Malente bei Nacht
Ich tat, was ich immer tat. Fußball spielen. Holstein Kiel, St. Pauli, Hamburger SV, Lübeck und Flensburg. Alle hochgehandelten Talente waren da. Und die waren SAUGUT. Ich hatte am ersten Tag in Malente vielleicht 3x in 6 Stunden Training den Ball am Fuß. Ich war am Boden zerstört. Der kleine Junge aus Dithmarschen vom ABC-Wesseln in der großen Welt. WTF ☹
Sicherlich kennen das noch einige von Euch. In so einer Mannschaftsunterkunft gab es Hochbetten im Vier- oder Sechs-Bettzimmer. Und Looser schlafen immer oben. Ich grämte mich in den Schlaf nach diesem ersten Tag und ertrug den Pups-Mief der anderen, der nach oben steigt. Ist somit klar, warum Looser oben schlafen … oder?
Es rüttelte an meinem Bett. Schlaftrunken kam ich zu Bewusstsein. Ich sah die untrügliche Silhouette meines voluminösen Vaters. Ich war beglückt. Ich freute mir ein Loch in den Bauch. Er würde mich hier rausholen – er würde mich mitnehmen. Raus aus diesem Desaster.
Ein dunkles „Komm mit“ drang an mein Ohr und mein Vater verließ den Raum schon durch die offene Tür, aus der ein Lichtstrahl der Beleuchtung des Flures in das Zimmer schien. Kurze Zeit später standen wir beide draußen. Ich sehr klein mit Hut. Mein Vater sehr groß mit echtem Hut. Er zündete sich im Widerschein dieser potthässlichen gelben Struktur der Sportschule eine Zigarette an. Er hatte ein wenig was von Bogart --- ich hatte Gänsehaut vor Angst.
Mein Dad ergriff das Wort. Kurz – knapp – präzise: „Du bist nicht Hacke-Spitze-Eins-Zwei-Drei. Du bist ein Malocher. Du bist dreckig. Du willst den Ball und holst ihn dir. Das ist dein Talent. Du hast hier keine Freunde – nur Gegner. Tu es“. Klopfte mir kräftig auf die Schulter, trat seine Zigarette aus und ging. Ging einfach weg.
Breakfast for Champion
Ich hatte nicht mehr geschlafen. Beim Frühstück – allein auf meinem Platz – sah ich in die Gesichter der Champs aus den großen Vereinen. Sie lachten über mich. Und ich machte mir jeden zum persönlichen Feind. Hier (wie auch heute in business) gibt es keine Freunde.
Der Rest ist einfach nur Geschichte. Ich durfte im Nations-Cup in USA für Deutschland spielen und war mit 14/15 Jahren auf dem Zenit in Sachen Fußball. Die Knie machten nicht mit – dadurch war der Bereich Profi-Fußball - trotz Vorvertrag Wolfsburg - recht schnell vorbei.
Aber diese Malente-Message habe ich bis heute umgesetzt. Eines der Highlights in jungen Jahren. Es braucht einen Mentor, der weiß, wie die Murmel läuft!
Danke Dad – R.I.P
Dein Sohn