Hatte ich es evtl. schon einmal erwähnt, dass ich unheimlich gern im stationären Laden arbeite. Live am Kunden. Realtime und naked sozusagen. Und ich weiß, dass es mir hier viele gleich tun. Den Dienst am Kunden!
Oh Du Fröhliche …
Heute war es wieder soweit. Es war zwar so nicht geplant und mein Arbeitstag sah eigentlich völlig anders aus. Aber so ist es nun einmal als Standby-Azubi, Lückenfüller und Mannschaftsnutte im Ticketshop Leverkusen. Das Telefon klingelt, die Chefin brüllt: „Wir gehen unter …!“. Dann nur noch ein Tut-Tut in der Leitung und Du weißt, wo grad der Pabst im Kettenhemd ohne Weihrauch unterwegs ist …
Ich schlage also wenig später im Laden auf. Ich hatte vergessen (bin leider nur 2-3x als Reserve und Stimmungs-Kanone anwesend), wie klein unser Laden wirklich ist. Mit einem kräftigen Bariton „HOHOHO“ verschaffte ich mir Aufmerksamkeit, um überhaupt durch die Menschenmassen hinter den Tresen vorrücken zu können. Normal steht vorab immer eine kurze Einweisung der Chefin auf dem Plan. Welcher Anbieter hat nun grad Angebote am Start, was hat sich geändert im Ticketing-System, wo sind die neuesten Stolperfallen und was funktioniert gerade nicht ... oder erst später … oder nie wieder … oder bei OBI?
Die Geister, die ich rief …
Also Kaltstart 4.0 und mitten rein ins Xmas-Feeling. Ich saß noch nicht ganz aufrecht, da stand ein junger Mann in der zweiten Schlange rechts vom Counter vor mir und fragte nach Karten für … vergessen? Aber ich weiß noch, dass er danach sagte: „Ich bin Quasi-Student – gibt es da Ermäßigung?“ Und „fump“ – wie eine Bierflasche mit Schnappverschluss, war ich in meinem Element.
„Muss ich mal schauen. Ich bin Quasi-Rentner + zeitgleich Quasi-Azubi. Müsste die gleiche Rubrik sein?“
Der Kniff ist, so einen Aufhänger weder zu leise noch zu laut zu sagen. Die Menschentraube vorn am Tresen bekommt es mit und kommt ins Gespräch. Verbal-Akrobaten gibt es in jeder Schlange. Die geben ihre Prosa gern dazu. Diese wird per „Stille Post“ langsam aber sicher nach hinten durchgereicht. Und schon hast Du 30-45sec. Zeit gewonnen. Ein leises Zischen zur Chefin „was geht“, wird dabei im allgemeinen Gelächter untergehen und Du hast deine wichtigsten Informationen. Das EC-Gerät (REA-Card) funktioniert grad in ganz Leverkusen nicht (ultimativer Supergau am Tag vor XMAS!) und XYZ-Attraktionen sind eh schon ausgebucht … also keine Zeit mit Suchen verschwenden. „Hurry up!“
Dirki allein zu Haus …
Nun muss man wissen, um die folgenden Zeilen zu verstehen, dass #MeinerEiner in einem stationären Laden aufwachsen durfte. Ich habe dort Brust, Flasche und Schnuller bekommen und war immer ganz nah bei der Kasse. Im zarten Alter von 6 Jahren durfte ich diese schon bedienen und die Kunden – vor allem die weiblichen – fanden mich unheimlich süß. Das kleine Mädchen mit den langen goldigen Haaren. Ich bin also durch die härteste Schule bei meiner Mutter gegangen und habe in Sachen Kunden am lebenden Objekt lernen dürfen. Wichtig ist dabei: „Wenn Du absolut keine Ahnung hast, überspiele das ganze mit professionell wirkendem Halbwissen. Spanne den oder die Kunden mit ein und verschaffe dir dadurch wertvolle Zeit!“
Wir bleiben bei dem Quasi-Studenten. Er wollte Karten für ein Stück bzw. eine Aufführung, von der ich noch nie gehört hatte und die irgendwas mit dem WDR-Rundfunk-Orchester zu tun hatte. Nun sollte ziemlich klar sein, dass sich sowohl WDR wie auch Orchester absolut „out of my space“ befinden (Metallica mit Orchester und Savatage mal davon ab) und ich auch mit dem Dirigenten nicht das Geringste anfangen konnte. Aber der Quasi-Student hatte schon seine EC-Karte gezückt (die ja nicht bei uns funktioniert …). Panik kam auf. Ich erblickte ein wirklich hübsches Ding in der 5 Reihe vor dem Tresen. Rote Haare, Sommersprossen und sehr schüchtern – aber hatte diesen typischen Studenten-Touch.
„Junge Frau … junge Frau, mal bitte hier kurz an den Tresen“. Die Masse machte freiwillig das Spalier. Die junge Frau kam durch. Im Augenwinkel sah ich, dass meine Chefin grad am Terminal frei war. Alles auf eine Karte – ich konnte ja nicht mehr verlieren. „Hallo ….?“ sagte ich mit breitem Grinsen und die junge Dame antwortete bereitwillig: Myrte. „Hi Myrte. Das ist Stefan. Stefan – das ist Myrte. Lernt Euch mal kurz kennen und meine Chefin kümmert sich um den Rest!“
Der Grinch …
Die wertvolle Zeit zerrann mir buchstäblich zwischen den Fingern. Das EC-Gerät ging wieder. Aber wer macht so kleine Tasten für Männerhände. Das ganze Ding ist nicht größer als meine geschlossene Faust. €31,90 x4 sind nicht €12.760. Der Wahnsinn nahm kein Ende aber auch diese Malesche konnte ich gekonnt umspielen. Hoffentlich stimmt die Kasse?
Und dann kam er endlich. Der Kunde. Mein ultimatives Fressen. Kein Musical, kein Ballett, kein Weihnachts-Dingens und kein Kinder-Knaben-Chor. „Ich suche was mit Rock – als Geschenk!“
Nun? Ebenso hätte er auch sagen können, er sucht eine Felge für ein 90´Baujahr, welches auf alle jemals in Europa produzierten PKW passt. Hinter dem Kunden stehen immer noch reichlich Menschen in Reih und Glied.
„Gerne! Ich benötige nur etwas mehr Information“. Er kam ins Stammeln. Jetzt war ich in meiner Hochburg: „Hard, Heavy, Grunge, Alternative, Gothic, Jazz, Industrial, Main-Stream, 80´bis heute, Newcomer, Tipps oder Hits, Festival oder Einzel …. ?“ Er ging dann erleichtert mit Randy Hanson (?ROCK?) in Düsseldorf, nachdem ich ihm noch ohne mit der Wimper zu zucken sagen konnte, dass der Pitcher in Dusseldoof leicht mit der Bahn zu erreichen ist (vielen Dank an die JTL-Connection Gemeinde … da kenne ich mich aus!). Tschakka!
Stille Nacht …
3 Stunden vergingen wie im Fluge. 1x für kleine Bulldozer und eine Zigarette. Mehr Zeit war nicht. Das Weihnachten immer so plötzlich vor der Tür steht, ist ja allseits bekannt. Für mich aber immer noch unverständlich. Aber sei´s drum. Ich hatte Feierabend. Am 24.12.19 noch einmal alle Register. Aber das ist erst morgen!
Mit dem Hund in die Wildnis. Schön entspannt durch den Wald. Und da höre ich Klopfen – rhythmisches Klopfen. Mitten im Wald – in einer Senke im Matsch, steht ein Mann. Ungefähr in meinem Alter. Neben ihm hockt ein weißer Pinscher und sieht im andächtig zu. Der Mann hat zwei Äste in der Hand und drischt auf Bäume ein: Einen lebenden und einen schon langen toten Stumpf. Es dauert ein wenig. Dann wird es klar: Er trommelt „Smoke on the water“ mitten im Wald auf Bäume ein.
Heavy Xmas – alter Mann! Und Euch allen auch.
Schöne Festtage und einen heavy Rutsch in 2020. Möge die Macht auch in 2020 mit uns sein 😊