41 Jahre Thriller … und kein Ende in Sicht

Am 30. November 1982 kam das Album Thriller von Michal Jackson auf den Markt. Meine Wenigkeit hat just heute, am 30. November, allerdings im Jahre 2023, den ersten Teil meines zweiten Hamburg-Romans fertig gestellt.

Ich schließe mein Word-Programm, lehne mich zurück und sehe ein Vinyl-Cover in der Nachrichtenzeile auftauchen. 41 Jahre ist die Scheibe Thriller nun schon her. Und ich fühle mich plötzlich mehr als nur uralt.

Und versuche mich zu erinnern. 1982. Grad einmal flügge geworden. Allein in Hamburg in der Ausbildung zum Polizisten. Artikel und Bilder aus den Tageszeitungen kommen wie lose Blätter durch mein Gehirn geflogen. Christian Klar, Mitbegründer der RAF, war nur wenige Tage zuvor in einem Wald im Hamburger Norden festgenommen worden. Wir hatten dadurch erhöhte Wachzeiten im Hamburger Polizei-Ausbildungs-Zentrum zu schieben. Als ob irgendjemand diesen Kindergarten angreifen würde. Und die RAF war ja nun, mit der Festnahme von Klar, eigentlich Geschichte. Aber nun ja – Befehl war halt Befehl.

Das Video des Kollegen Faden, der 1974 erstmalig bei einer Geiselnahme in Hamburg St. Georg den sogenannten „finalen Rettungsschuss“ ansetzte, wurde uns in diesen Tagen, im November 1982, praktisch täglich im Unterricht serviert. Andere Auszubildende lernten, mit der Rohrzange umzugehen. Wir mussten uns tagtäglich Bilder über Rettungs- oder Fangschüsse ansehen. Und verfolgten natürlich auch die Nachrichten, ob es nun „notwendig“ oder gar „menschlich“ war. War es wirklich die Wahl des mildesten Mittels. Noch heute bleibt mir nur ein Schulterzucken nach all dem, was danach kam.

Dann schiebt sich eine Lederjacke vor das Panoptikum meiner Augen. Genüsslich und wieder lächelnd zünde ich mir eine Zigarette an. Diese abstoßend hässliche Patchwork Lederjacke. Mit nur einem einzigen Knopf ganz unten. Mit Schulterpolstern, dafür extra kurz geschnitten. Und hängt noch heute in meiner Garage. Direkt über dem Kopf meines Motorrads. Manche Dinge sind es wert, einfach nur existent zu bleiben. Über 40 Jahre hat diese Jacke mit mir verbracht. Zig Umzüge und Leben mit- und überlebt. Passt mir lange nicht mehr. Zu schmächtig war ich noch Anfang der 80er oder einfach zu dick heute. Aber ich passe immer noch zu dieser Kultjacke. Erstanden auf dem Hamburger Kiez. In einem kleinen Laden gegenüber vom Club Top Ten. Wo damals alle Türsteher, die was auf sich hielten, einkauften …

1982. Jeder Weg … einfach jeder längere Weg, der über 2.000 Meter war, wurde mit dem Motorrad erledigt. Laut musste es sein. Und schnell. Und ich hatte beides unter dem Arsch und zwischen den Beinen. Das Leben war so herrlich einfach. Mir gehörte die Welt. An einem Abend besuchte mich meine spätere erste Ehefrau mit ihren Eltern in „meinem“ Hamburg. Natürlich machten wir einen Gang über „meinen“ Kiez. Und natürlich kam uns einer der Top-Luden der damaligen Zeit samt seiner Frauen entgegen. Und meine Schwiegermutter, feinste norddeutsche Kultur, hatte nix besseres zu tun, als den Typen am Arm zu packen. „Sach mal Kollege, bist du so ein Zuhälter?“  Ich wollte einfach nur im Boden versinken. Doch der schöne Klaus war die Ruhe selbst un lachte: „Jo Mutti – was dagegen?“ Die Situation eskalierte nicht … alles war fein. Aber vergessen werde ich es nie. Vielleicht lag es ja auch einfach nur an meiner tollen Lederjacke …

Schlussendlich ist da wieder die Musik. Als Kind noch Abba und Boney M. auf der Innenseite meiner ledernen Schultasche mit fettem Filzstift verewigt. Mit 15 Lebensjahren durchgestrichen … teilweise aus der Klappe ausgeschnitten und AC/DC darauf verewigt. Da ich – allein – 1978 zum Konzert nach Kiel fahren durfte. Danach nur noch Leder. Nur noch schwarz getragen. Black Sabbath, DIO, Jethro Tull, The Sweet, Foreigner und Van Halen.

Und dann kam plötzlich Rocky Balboa in mein Leben. Damit auch gewaltig und durchaus gewalttätig Survivor mit „The eye of the tiger“ . Alles drehte sich fortan bei mir nur noch ums Boxen. Ums Kickboxen. Um Street-Fighting. Egal, welchen Namen es trug. Ich wollte dabei sein. Ich wollte gewinnen. Und ich war gut darin. Und wurde immer besser. Da ich bei der Polizei auch Trainingsmöglichkeiten ohne Ende fand.

Und all das wurde nur durch einen einzigen Menschen durchbrochen. Durch einen mehr oder weniger androgynen Kerl, der Thriller erschaffen hatte. Für mich ein angemalter Kasper, der sich andauernd in den Schritt faste, Hochwasser-Hosen, Hut und Pailletten-Handschuhe trug und sich damit leidlich bewegen konnte. Der überhaupt und so gar nicht zu meinem anerzogenen und grad voll ausgelebten heterogenen Weltbild passte. Michael Jackson .... ausgerechnet.

Und eines Abends stand ich dann da. Kampfbereit. U-Bahn-Station Reeperbahn. Urbane Kids mit Ghetto-Blaster kamen mir entgegen. Es roch für mich nach Haue. Sehr gern … kommt doch! Und es erklang „Beat it“. Und ich hörte dieses Gitarrenriff. Glasklar. Es war Eddie van Halen. Und wenn Eddie van Halen mit diesem No-Name Kasper Mucke macht. Dann kann dieser Jackson nicht so schlecht sein.

Nun 41 Jahre her … aber auch nur eine weitere Geschichte.

Aber geil. Wie mein ganzes Leben.

Danke bis hierhin ….